You Can’t Judge A Book By The Cover # 17: Clarence Clemons & Don Reo „Big Man – Real Life & Tall Tales“

bruce_books00Oktober 2009 erschien im Verlag Grand Central Publishing „Big Man – Real Life & Tall Tales“ von Clarence Clemons und Don Reo. Ich ließ mir an Ostern 2010 das Buch schenken, doch erst im Sommer 2017 gönnte ich mir die Lektüre und trotz der englischen Sprache fand ich mich gut in das „wahre Leben und den Lügengeschichten“ zurecht.

Kurze Zeit später, nach einer Wanderung im Wienerwald, entdeckte ich in der Mödlinger Fußgängerzone vor einem Buchgeschäft die deutschsprachige Ausgabe zu einem verbilligten Preis. Hin- und hergerissen, weil ich mit der englischsprachigen Fassung doch zurechtgekommen bin und finanziell etwas überbeansprucht, weil auf Arbeitssuche, kaufte ich mir trotzdem das Buch, weil ich wissen wollte, ob ich auch tatsächlich die „Real Life & Tall Tales“ verstanden hatte.

Dennoch rührte ich beide Bücher seitdem nicht wieder an und im Januar 2021 plante ich, die Buchbesprechung anlässlich des 10. Todestages von Clarence Clemons am 18. Juni 2021 im Blog zu veröffentlichen.

Ich überlegte auch lange, wie ich die beiden Bücher lesen soll. Zuerst die englischsprachige, dann die deutsche? Oder umgekehrt? Oder soll ich eher den Schwur brechen, nie wieder Bücher parallel zu lesen?

Ich entschied mich für letztere. Also las ich ein paar Kapitel im Englischen, dann schaltete ich rüber zur deutschen Ausgabe und es ging danach hin und her zurück.

Nichtsdestoweniger war ich mit meinen bisherigen Notizen nicht zufrieden und beschloss, die Veröffentlichung auf den 11. Januar 2022 zu verschieben. Clarence Clemons wäre an diesem Tag 80 geworden.

Das Buch beginnt mit einem kurzen und knackigen Vorwort von Bruce Springsteen (Wer denn sonst?) und er nimmt auch Bezug auf das Cover von „Born To Run“.

Bevor Biografien wie üblich mit der Vergangenheit beginnen, baut Mitautor Don Reo ein Kapitel aus der Gegenwart ein, indem er im Oktober 2008 Clarence Clemons im Spital besucht, der nach einer Knieoperation dort liegt. Die beiden unterhalten sich über die bevorstehende „SuperBowl Halftime Show“ im Februar 2009 und zu diesem Zeitpunkt scheint es unrealistisch, dass der „Big Man“ wieder auf der Bühne stehen kann.

Nun geht es zurück in die Vergangenheit von Clarence Clemons, zu seiner Kindheit und Jugend in Norfolk, Virginia.

An Weihnachten bekommt er von seinen Eltern sein erstes Saxophon geschenkt, mit dem er in seinen jungen Jahren von sich hören lässt. Unvermeidbar wird er auch immer wieder mit dem Rassismusthema konfrontiert, oft ist Clemons der einzige Schwarze unter den weißen Musikanten.

Nachfolgend vermischen sich das „real life“ und die „tall tales“ sehr oft, denn das, was im Leben des „Big Man“ tatsächlich passierte, liest sich wie ein Märchen an und die erfundenen Geschichten lassen uns mit dem Gefühl zurück, ob sie doch nicht der Wahrheit entsprechen.

Das Buch ist fast chronologisch aufgebaut, die Kapitel aus dem „real life“ und den „tall tales“ wechseln sich unregelmäßig ab. Jedes Kapitel ist recht kurz gehalten, es wird selbst dem faulsten Leser und gleichzeitig größtem Springsteen-Fan leicht fallen, das Buch zu lesen, da bedingt durch die kurzen, aber lesenswerten Kapitel das Buch jederzeit aus der Hand gelegt werden kann.

Ich beziehe mich hauptsächlich auf die englischsprachige Ausgabe, die eine weitere Lesehilfe liefert: Die „tall tales“ sind auf grauem Papier abgedruckt, während die Kapitel aus dem „real life“ auf normal weißem Papier bedruckt sind. Außerdem werden die legendären Geschichten in der dritten Person erzählt. Meine liebste ist „The Legend from Under The Boardwalk, Early ‘70s” (S. 31 ff.).

Nicht nur die legendären Geschichten, sondern auch die Kapitel aus dem wahren Leben sind spannend zu lesen und in einem amüsanten, teilweise vulgären Erzählstil verfasst. Oberflächlich ist der Eindruck zu gewinnen, es geht hauptsächlich um Sex, Drugs & RoggenRoll.

In Zeiten wie diese hat mich auf Seite 271 beginnend ein Kapitel tief beeindruckt, als Clemons von einer Situation im Flugzeug erzählt, in dem alle Passagiere Masken tragen mussten, weil Bruce sich eine Verkühlung eingefangen hat. „It wasn’t bad enough to cancel a show, not yet anyway, but if it spread it could affect the entire tour – and the tour was big, big business.“ Ich interpretiere seine Aussage so, dass bei einer Ansteckung die gesamte Planung über den Haufen geworfen werden muss und daran hängen Personal, Kosten etc.

Don Reo schaltet sich auch in den einzelnen Kapiteln ein und der Leser wird im Laufe des Buches erfahren, wie die Freundschaft zwischen den beiden Autoren entstand.

Nachdem Clarence Clemons mit dem Tod von Terry Magovern, Bruces persönlichem Assistent, und Danny Federici, Mitbegründer der E Street Band, konfrontiert ist, drehen sich die Geschichten gegen Ende des Buches oft um die eigene Endlichkeit des Lebens.

In diesem Buch wird dem Leser auch bewusst, dass der Big Man während der letzten Tourneen ein einziger Schmerz war, daher war es umso bewundernswerter, dass er bei diesen Tourneen, die nicht wenige Konzerte auf dem Plan hatte, night after night after night mitgemacht hat.

Noch ein paar Worte zur deutschen Ausgabe, das ich mittlerweile verkauft habe: Leider enthält sie keine Fotos, auch ist keine Unterscheidung in der Farbe des Papiers zu sehen, aber die „tall tales“ beginnen immer mit „Die Legende von…“. Ein paar Übersetzungsfehler habe ich auch gefunden, hervorheben möchte ich den Allzeitklassiker, dass im Original auf Seite 54 „Austria“ steht und in der deutschen Ausgabe auf Seite 64 „Australien“. Auch wurden zwei Kapitel „vergessen“: „Hollywood, Florida“ (S. 235/236) und „Scotland“ (S. 240 – 242), dabei sind beide recht schön zu lesen.

Doch abgesehen von den kleinen Schnitzern liest sich die deutsche Ausgabe sympathisch an, für Springsteen-Fans und darüber hinaus, die sich mit mehreren Seiten Englisch schwer tun, ist das Buch schon eine Lektüre wert.

Das Buch vom „Big Man“ endet dort, wo Bruce Springsteen seine Autobiografie beginnt: Mit dem SuperBowl am 1. Februar 2009.

Ich habe lange überlegt, welches Video ich nun einbetten soll. Passend wäre natürlich ein Mitschnitt mit dem unvergleichlichen Saxophon-Solo von „Jungleland“. Das bekommen Sie nun zu sehen:

Aber wie schon oben erwähnt, endet das Buch mit dem Auftritt bei der Halbzeit vom SuperBowl am 1. Februar 2009. Somit erlaube ich mir ein zweites Video. Haben Sie viel Spaß mit der verkürzten Version von „Tenth Avenue Freeze-Out“:

Weiterführend:

https://www.stonepony.eu/brucepress/clarence-clemons-memoiren-big-man-real-life-tall-tales/

4 Kommentare

  1. Also jetzt bin ich mal gespannt mal auf Deine Fortsetzungsgeschichte, wie der singende Arbeitersohn, den seine Fans „The Boss“ nennen, die Rechte an seinen Songs der Plattenfirma Sony/Columbia für 500 Millionen Dollar verkauft hat.

    1. :-)

      Meine Serie bezieht sich nur auf Bücher, die einen engen Bezug zu Bruce Springsteen haben.

      Von diesem Verkauf habe ich auch erfahren und ich denke mir, dass er nun seine Frau, seine Kinder und evtl. seine Schwestern finanziell versorgt weiss, sollte er den Big Man im Himmel wiedersehen.

  2. 2009 in Frankfurt, Jungleland live, mit dem unvergleichlichen Solo. Ich war so dankbar dafür, später, dass ich das erleben durfte.
    Schöne Rezension, danke! Mein Mann sucht noch nach einem Geburtstagsgeschenk für mich…

    1. Vielen lieben Dank für Deinen Kommentar!
      Zwar durfte ich Clarence Clemons drei Mal mit der E Street Band erleben, aber „Jungleland“ bekam ich erst bei meinen letzten zwei Konzerten in 2016 mit Jake.

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