Sori geht (wieder) ins Kino: „Western Stars“

Es war irgendwann da.

Das Album „Western Stars“.

Einen Vorgeschmack bekamen wir mit „Hello Sunshine“ geboten, wobei eher der Titel mehr Skepsis als das Lied selbst weckte. Die zweite Auskoppelung „There Goes My Miracle“ stufe ich in die Kategorie „Bruce hat alles erreicht, also lass ich ihm die Spielereien.“ ein oder anders ausgedrückt: „Das Lied ist fürchterlich!“

Dennoch kaufte ich mir am 14. Juni 2019, der Tag der Erstveröffentlichung, das Werk und musste mich schon wieder darüber aufregen, dass die Plattenfirma auch diese CDs in unpraktischen Digisleeves verpacken lässt. Und, was soll das bitte, dass der Bruce-Springsteen-Namenszug als Aufkleber auf der Hülle, die sowieso heruntergerissen werden musste, pickt?

Vor mir aus können Sie mich für empfindlich oder oldschool halten, aber wenn ich einen physischen Tonträger erstehe, gehört es für mich zum Teil eines besonderen Erlebnisses, die Verpackung aus der Hülle zu befreien, die CD problemlos aus dem Behälter zu lösen und sie in die Anlage zu schieben.

Und das wurde mir bei „Western Stars“ gründlich vermiest.

„Thuuuuuuuuumb stuck out as I go…“ Huch! Was geschieht jetzt? In den nächsten Tagen hörte ich „Western Stars“ höchstens drei Mal. Nur das Titellied, „Somewhere North Of Nashville“ und „Moonlight Motel“ blieben bei mir hängen, der Rest rann erst einmal in das trockene Flussbett. Es sprach mich nicht an, ich wusste nicht einmal ansatzweise, was Bruce mit dem Werk, das angeblich schon seit Jahren in seiner Schublade lag, bezwecken wollte. Es war mir zu amerikanisch. Zu weit weg irgendwie.

Noch vor der Veröffentlichung kündigte Bruce Springsteen an, dass er mit dem Album nicht auf Tournee gehen würde.

Schade eigentlich. Ich habe Bruce Springsteen bisher nur mit der E Street Band in den Stadien erlebt und wäre für die Gelegenheit einer Solo-Hallen-Tournee sehr, sehr dankbar.

Stattdessen las ich die Meldung, dass dafür einen Film zu „Western Stars“ geben wird. Ich glaube, zu diesem Zeitpunkt wusste ich schon, dass ich mir „Blinded By The Light“ ansehen wollte… ich sah mich schon mit einer Überdosis Kino verschrieben! Da meine Einstellung gegenüber dem Album nach wie vor euphorisch war, verfolgte ich nur halbherzig die weiteren Nachrichten zum angekündigten Film.

Erst als ich las, dass „Western Stars“ sogar in den europäischen Kinos gezeigt wird, spürte ich so etwas wie Interesse und klapperte wenige Tage lang meine Suchmaschine nach einer Vorstellung in Wien ab. Schließlich wurde ich am Abend des 11. Oktober 2019 fündig und sicherte mir sofort eine Karte für die Vorstellung im Filmhaus.

https://www.filmcasino.at/film/western-stars/

Aus diesem Anlass hörte ich mich wieder in „Western Stars“ hinein, dennoch blieb ich bei meiner Erstmeinung vom Juni 2019 und ließ aber die Hoffnung zu, am Abend des 28. Oktober 2019 neue Erkenntnisse zu gewinnen.

Im ausverkauften Saal des Filmhauses nahm ich in der letzten Reihe Platz und machte mich im Kinosessel bequem, eine halbvolle Flasche Stiegl zu meinen Füßen und griff nach den „Western Stars“:

Wie riesig ist denn sein Anwesen, wenn irgendwo mitten in den „Badlands“ diese 100jährige Scheune steht?

Bedauernswerterweise wurde nicht untertitelt, wenn Bruce sang. (Mittlerweile bin ich zu alt geworden, neue Liedtexte auswendig zu können. Irgendwie sehne ich mich nach dieser Sori-Teenagerin…)

Geschmunzelt habe ich, als Bruce erwähnte, dass in seinem 19. Studioalbum nach wie vor die Autos vorkommen, auch wenn sie in diesem Jahrtausend nicht mehr eine so große Rolle spielen wie damals. Aber als Metapher für das Leben in Bewegung sind sie immer noch dienlich.

Die Geschichten, die Bruce Springsteen zu den Liedern zwischendurch erzählte, ließen zu, dass ich besser in „Western Stars“ eintauchen konnte. Darüber hinaus sind sie teilweise nähere Beschreibungen, ergänzende Anmerkungen, Fußnoten zu seiner Autobiographie „Born To Run“. Oft spürte ich eine Schwere in mir, die ich auch beim Lesen seiner Autobiographie hatte. Und sehr mutig finde ich die doch sehr privaten Aufnahmen von ihm und Patti während ihrer Flitterwochen. Wir sehen ein glücklich verliebtes Paar und wollen kaum glauben, dass Springsteen aus dem Off sagt, dass für so etwas keine Garantie gibt.

Verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin in der Hinsicht keine Romantikerin und ich glaube nicht an dieses „Für immer“. Aber der Kontrast war so stark: Hier die lustigen Filmszenen und dort ein „Wir wussten vor 30 Jahren nicht, was auf uns zukommen würde.“

Und ich freue mich, dass Bruce Springsteen in Patti Scialfa eine Seelengefährtin gefunden hat. Ich bewundere die „red headed woman“, dass sie ihren schwierigen Mann steht und mit ihm sogar drei Kinder großgezogen hat.

Sicher wird es gleich einen Aufschrei durch die Tramps geben: Während ich mir die Duette von Bruce und Patti ansah, ging mir der Gedanke durch den Kopf, dass mir eine „Bruce Springsteen & Patti Scialfa“-Tournee mit Begleitband sehr gefallen würde.

Während in „Moonlight Motel“ die auf den Tischen hochgestellten Sessel auf das Ende des Abends deuteten, entflieht die Schwere mit Glen Campbells „Rhinestone Cowboy“. Ich täte mich nicht wundern, wenn das Lied auf einem Schild bei den nächsten Konzerten mit der E Street Band zu sehen gibt.

Zwar mag ich „There Goes My Miracle“ nach wie vor nicht und „Sundown“ überlasse ich gern den anderen, aber ich bin sehr dankbar für Bruce Springsteens Ausführungen, die mir nun einen tieferen Einblick in „Western Stars“ gewähren.

[Obigen Text schrieb ich Anfang November fertig. Doch schreckte ich vor einer Veröffentlichung in meinem Blog zurück. Die Originalfassung bekam dann eine liebe Konzertfreundin und aufmerksame Leserin meines Blogs zu lesen.]

The older you get the heavier that baggage becomes that you haven’t sorted through, so you run.

Nach dem Besuch am 28. Oktober 2019 spielte ich mit dem Gedanken, mir den Film doch noch einmal in einem Kino anzusehen. Aber nachdem das Filmhaus über keine Induktionsanlage verfügt und die nächsten Vorstellungen abwechselnd im Filmcasino und im Filmhaus gezeigt wurden, reizte mich eher ein Besuch im Filmcasino, wo auch die Induktionsanlage installiert ist. Darüber berichtete ich schon in diesem und in jenem Beitrag.

Aber die nachfolgenden Termine im November passten mir nicht und es wurde über eine Veröffentlichung auf BluRay vor Weihnachten gemunkelt. Doch fand ich keine konkreten Anhaltspunkte, um mir noch heuer eine BluRay zu kaufen und ich entdeckte auf der Webseite vom Filmcasino einen weiteren Termin. So buchte ich eine Karte für die Vorstellung am Sonntag, 15. Dezember 2019.

Inzwischen besorgte ich mir den Soundtrack auf CD und die Scheibe gefällt mir recht gut. Zwar kommt Springsteens Stimme nicht so perfektioniert herüber wie auf dem Studioalbum, aber auf dem Soundtrack ist eine entspanntere Atmosphäre fühlbar und „Rhinestone Cowboy“ entwickelt sich zu einem Ohrwurm.

Kurz vor 16 Uhr betrat ich das Filmcasino und traf auf zwei Springsteen-Fans, die mit mir im Zug von Zürich nach Wien gesessen sind. Immerhin! Denn der Rest des Publikums bestand aus unbekannten Gesichtern.

Im fast ausverkauften Kinosaal sah ich hoffnungsvoll einer akustisch besseren Vorführung entgegen als im Filmhaus. Doch stellte ich zu Beginn fest, dass die Induktion nicht reibungslos funktionierte. Ich ließ meine Hörgeräte zwischen den Programmen springen, blieb doch bei der Induktion hängen und registrierte sie erst, wenn ich meine rechte Hand über mein rechtes Ohr hielt. Aber in dieser Haltung wollte ich nicht die nächsten 82 Minuten verbringen!

Ich neigte meinen Kopf leicht nach hinten und verstand wunderbar, ertappte mich aber in einer unbequemen, zu einem steifen Gnack führenden Sitzposition. Schließlich rutschte ich etwas tiefer in meinem Sitz und ab „Chasin‘ Wild Horses“ konnte ich den Film nun entspannt bis zum Schluss verfolgen.

Mit dem zweiten Kinobesuch nahm ich nun gewisse Szenen viel bewusster wahr: Der Kinosaal im Filmcasino ist sehr einladend groß und ich saß auch wieder in den hintersten Reihen und genoss die weite Landschaft viel intensiver, nahm wieder zur Kenntnis, dass Bruce Springsteen alt geworden ist – meine Güte, zum Zeitpunkt der Dreharbeiten war er stolze 69! Trotz gelungener Haarverpflanzungsmaßnahmen und einer botoxgeglätteten Stirn kann sich Bruce Springsteen dennoch zeigen lassen. Und ich ließ mich gern von seinen oft ziellos blickend wirkenden, braunen Augen hypnotisieren…

Und ich fühlte wieder so viel Sympathie für Patti Scialfa & Bruce Springsteen, als die beiden ihre privaten Videos mit dem Kinopublikum teilten, bevor das wunderschöne „Moonlight Motel“ erklang.

Trotz zweitem Besuch hat sich meine weniger Begeisterung für „Sundown“ und „There Goes My Miracle“ nicht geändert. Während Bruce letztere sang, hielt ich ein kurzes Nickerchen, ohne mich nicht in Gedanken zu fragen, warum er sich so etwas erlauben kann?

Die Schwere, die ich während des ersten Besuches spürte, währte dieses Mal zum Glück nur kurz. Sei es, weil ich nun wusste, was auf mich zukommen würde oder weil ich nun selbst mit meiner eigenen Schwere zurechtkommen möchte und daran arbeite, ihr furchtlos ins Antlitz zu blicken.

Wann die BluRay auch immer hierzulande käuflich zu erwerben gibt, hat es sich, trotz anfänglicher Startschwierigkeiten mit der induktiven Übertragung, gelohnt, mir diesen Film wieder im Kino anzusehen.

„Western Stars“ wird nicht zu meinen Top-10-Alben von Bruce Springsteen gehören, aber Bruce Springsteen und Thom Zimny sind mit dem Film gelungen, das Album fühlbarer, begreifbarer zu machen.

Weiterführende Links:

https://www.warnerbros.com/movies/western-stars

https://kurier.at/kultur/bruce-springsteen-stellt-seinen-film-western-stars-vor/400645376

https://www.donaukurier.de/archiv/poetischer-konzertfilm-bruce-springsteens-western-stars-2341596

7 Kommentare

  1. Liebe Sori, ich finde es wunderbar, dass du diese, deine Eindrücke nun doch auch mit deinen treuen Lesern teilst :-) Mmmmh? ein ganzes Konzert mit Bruce/Patti Duetten wäre mir doch wohl zu viel Patti ;-)

  2. Liebe Sori,
    ja da schau her: du hast dir „Western Stars“ ein zweites Mal reingezogen? Ich könnt‘ es glatt auch nochmal vertragen…, zumindest „Chasin‘ wild horses“ und ein paar andere Songs. Dass der „Rhinestone Cowboy“ zum Ohrwurm taugt, glaub ich sofort, vielleicht sollte ich mir auch allein deshalb den Soundtrack zulegen oder mir zumindest den einen Song mal downloaden.
    Auf eine Bruce&Patti-Tour hoffe ich hingegen weniger, mir ist er pur schon immer noch am liebsten.
    Du glaubst nicht an ein „für immer“? Echt nicht? Ich schon! Zumindest, wenn es um Bruce und mein Dackelmädchen geht, das ist sowas von „für immer“ (und durchaus erweiterbar). Aber das wäre mal ein abendfüllendes Thema zu ein paar Stiegln.
    Aus München grüßt dich herzlich –
    die Frau Kraulquappe.
    PS: Woher weißt du das mit der Haartransplantation und dem Botox? Ich meine, ich verkrafte das schon, wenn er auch was hat machen lassen, vielleicht hatte Patti ja auch eines dieser Sonderangebote „Buy one, get one free“, aber an sich mag ich die Spuren des Lebens in Gesichtern sehr gern (und genau deshalb mag ich auch Patti nicht zu lang anschauen).

    1. Danke für Deine Worte, liebe Frau Kraulquappe!

      Genau, das Thema „Für immer“ ist ein weites Feld und erfordert zumindest ein paar Stiegl! (Und ja, es ist ein schöner Gedanke, wenn meine Leidenschaft für Bruces Musik auch den Stempel „für immer“ aufgedrückt bekommt.)

      Zum PS: Seit mehr als 17 Jahren bin ich im deutschen Springsteen-Forum registriert und schaue nach wie vor regelmäßig vorbei. Dort habe ich die Theorien über die Haartransplantation und ein bisschen Botox hier, ein bisschen Botox da aufgeschnappt.
      (Böse Zungen haben gern behauptet, dass Bruce eine solche Haarverpflanzung hinter sich hatte, wenn er sich in den letzten zehn Jahren mit einer riesigen Haube blicken ließ.
      Und seine Stirn kam mir im Film schon sehr glatt vor, aber ich freue mich, dass ich mit ihm die Zornesfalten teilen kann *lach*)

      Liebe Grüße aus dem unnötig überheizten Büro (bin deshalb ein wenig unaufmerksam),

      S.

  3. Moin Sori,
    es bleibt dabei: Deine Texte lese ich gerne, aber mit „Deiner“ Musik fang ich nichts an. Sorry. Ich finde Springsteen – ob nun mit oder ohne Haartransplatation und Botox – immer irgendwie „schrammelig“ und zu „folkig“. Da gibts harmonisch und von den Kompositionen keine Überraschungen. Ich höre einen neuen Song von ihm und denke, wie oft hat er den schon rausgebracht in den letzten 20 Jahren. Aber es muss ja nicht allen das gleiche gefallen.
    Die Texte von Springsteen und die darin enthaltenen scharfen Beobachtungen der amerikanischen Gesallschaft schätze ich hingegen – also die wenigen die ich kenne.
    Wenn ich es jetzt geschafft haben sollte, die Stimmung zu versauen, sehts mir nach.
    Grüße aus den heute sonnigen Frankfurt

    1. Nö, die Stimmung hast Du nicht versaut. Ich bin mit nicht wenigen Leuten bekannt, die keine (großen) Fans von Springsteen sind und damit komme ich klar.

      Liebe Grüße aus Wien,

      S.

  4. Na, dann bleibt doch nur noch, sich die schönsten Weihnachten 2019 zu wünschen, die besten Wünsche für das neue Jahrzehnt auszutauschen und zu hoffen, das Herr Springsteen das mit den Transplantationen und dem Botox nicht übertreibt. Denn smart sah er ja immer aus. Hätte er eigentlich gar nicht nötig.
    Grüße aus dem heute total tinnitusversifften (nerv!) Hessenland.

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