You Can’t Judge A Book By The Cover # 30: Neil Cossar “Bruce Springsteen: The Day I Was There”

Das enthusiastische Vorwort von Mike Scully begeistert. Mike Scully? Ich musste im Internet recherchieren, wer die Person ist. Ich gestehe, ich habe keine einzige Folge der „Simpsons“ gesehen. Die privaten Fernsehsender boten in den 1990er Jahren keine Untertitel an. Deshalb geht das an mir vorbei.

Hätte ich das Buch vor der aktuellen Tournee gelesen, hätte ich seine Worte anders empfunden. Wer die Konzerte in 2023 verfolgt hat, weiß, dass sich vieles relativiert hat.

Der Autor des Buches, Neil Cossar, ist lange in der Musikbranche tätig. Seit 1999 betreut er die Webseite thisdayinmusic.com .

Bruce Springsteen war für seine stundenlangen, abwechslungsreichen Konzerte bekannt. Wen wundert es, dass die Menschen, die vor Ort waren, einiges zu berichten wissen. Das knapp 400 Seiten starke Taschenbuch umfasst Erlebnisberichte aus fast 50 Jahren (1969 – 2018), von Zeitzeugen aus aller Welt erzählt.

Ich lese sehr gerne Berichte von anderen Tramps. Insbesondere von Menschen, den kleinen Leuten, für die Bruce Springsteen so gerne singt. Viele Geschichten bewegen mich, die Backstage-Erlebnisse befremden mich eher, aber Springsteen in den 1970er Jahren ist ein anderer Mensch als 30 Jahre später.

Die ausgewählten Konzertberichte dauern bis 2018, zufälligerweise sind meine 14 Konzerte nicht dabei, aber ich habe meine „Days I Was There“ in meinem Blog verewigt ;-)

Viele Berichte sind Erinnerungen und Rückblicke, die auch aus dem Anlass für das Buch erzählt werden. Häufig wird erwähnt, dass damals kein Internet, kein Social Media gab, wenig bis nicht fotografiert wurde.

Ab Mitte der 1980er Jahre lese ich wiederholt in den Berichten, dass die Fans sich wünschen, Bruce live zu sehen, nachdem seine Musik ein großes Publikum erreicht und der Zugang auch niederschwelliger wurde. Und ich entdecke mich oft in dem einen oder anderen Beitrag.

Buch „Bruce Springsteen: The Day I Was There“ by Neil Cossar | Verlag: This Day In Music Books | Picture research: Liz Sanchez | Cover design by Oliver Keen

Auf Seite 227 fand angeblich am 27.10.2003 ein Konzert im Miller Park, Milwaukee statt. Leider haben sich in diesem Buch auch Fehler eingeschlichen und dass Neil Cossar als Publizist nicht auf mögliche Irrtümer prüft, ist zu bemängeln. Generell halten sich die Fehler in Grenzen, dennoch fiel mir Freak das gleich auf, weil ich weiß, dass die „The Rising“-Tournee 2002/2003 Anfang Oktober mit drei spektakulären Shows im New Yorker Shea Stadion endete.

Es sind nicht wenige Geschichten, die mich berühren und bewegen, aber erst gegen Ende des Buches lese ich den Brief von einem 13jährigen Fan aus Australien, der mich zum Weinen brachte. (Ich weiß, was es bedeutet, nicht verstanden zu werden, wenn ich an schlechten Tagen undeutlich spreche.) Ich gönne es ihm von Herzen, dass er am 14. Februar 2017 in Brisbane den schönsten Tag seines Lebens hatte. Näheres erfahren Sie auf folgender Seite: https://bruceraisedanadam.wordpress.com/

Zusammenfassend betrachtet ist das Buch ein gutes Zeitdokument. Allgemein lässt sich herauslesen, dass noch in den 1970er Jahren die US-amerikanischen Fans sehr oft Gelegenheit hatten, Bruce Springsteen live zu erleben und ihn auch als einer von ihnen betrachten. In den 1980er Jahren gelang Springsteen der weltweite Durchbruch mit „The River“ und er trat nun auch außerhalb den USA auf. Den Höhepunkt erreichte er natürlich mit „Born In The U.S.A.“, seine Musik wird rund um den Globus gehört und die Fans wünschen sich, seine Mammutkonzerte zu besuchen. In den 1990er Jahren gibt es fest etablierte Fanklubs und mit dem Internet wird die nächste Stufe erreicht. Seit diesem Jahrtausend ist es nicht mehr ungewöhnlich, Springsteen live in mehreren Ländern und auf anderen Kontinenten zu erleben.

Ich las das Buch über mehrere Tage. Die Berichte zur „Wrecking Ball“-Tournee 2012/2013 genoss ich sehr. Ich konnte die Gedanken und Emotionen der Tramps zu der meiner Meinung nach besten Tournee nachvollziehen. Ich schien das ZU intensiv genossen haben, denn ich träumte eines Morgens nach langer Zeit wieder von einem Springsteen-Konzert: Ich befand mich in einem weitläufigen Raum, mit vereinzelt anderen Menschen, die ich nicht erkenne. Ich hörte Musik und entdeckte einen freien Platz, der mir die Sicht auf eine geöffnete Doppeltür ermöglichte. Ich stellte mich hin und sah in eine Halle, gefüllt mit Menschen. Mittendrin stand Bruce Springsteen, er trug eine Schiebermütze, schien das Bad in der Menge zu genießen und sang den Klassiker von den Contours, „Do You Love Me“.

Das Lied spielte Springsteen während der „Born In The U.S.A.“-Tournee, um den Klassiker „Twist And Shout“ zu verlängern. Hier haben Sie eine bescheidene Aufnahme, aber auf diesem Kanal habe ich nichts Besseres gefunden:

Dass ich immer noch von Bruce-Springsteen-Konzerten träume, quittierte ich gedanklich mit einem „Ohhhh yeahhhh, it’s aaaall riiiiight“.

Ergänzend: https://www.thisdayinmusic.com/books/bruce-springsteen-the-day-i-was-there/

4 Kommentare

  1. Wow, Deine Sammlung von Buechern ueber Bruce Springsteen waechst und waechst. Ich wette Du koenntest aufgrund Deiner tiefen Einblicke mittlerweile selber ein Buch ueber ihn schreiben! :-)

    Sicherlich sind die Jahrzehnte auch am Boss nicht vollkommen unberuehrt vorbeigegangen. Wohingegen der nun 74-jaehrige vielleicht keine 4-stuendigen Konzerte mehr gibt, bleibt er fuer mich nach wie vor ein Ausnahmekuenstler, selbst wenn seine besten Jahre wohl hinter ihm liegen.

    Mein juengstes Springsteen-Konzert Anfang September letzten Jahres im MetLife Stadium in New Jersey, welches ich zu einem nicht unerheblichen Teil Dir zu verdanken habe (Du hattest in Vorfeld ein zusaetzliches Konzert hingewiesen, was es mir dann doch noch ermoeglicht hatte ein erschwingliches Ticket zu finden) , war eine tolle Show. Mit knapp 3 Stunden (ohne Pause!) und 28 Songs bewiess Springsteen, dass er nach wie vor jede Menge „Feuer im Bauch“ hat.

    1. Was das Schreiben betrifft, bleibe ich lieber beim Bloggen ;-)

      Ich moechte seine letzte bzw aktuelle Tournee nicht herabsetzen. Es ist eine starke Leistung, was Springsteen in seinem Alter erbringt. Aber da ich davor doch ein paar Konzerte von ihm erlebt hatte, die mehr als 3 1/2 Stunden dauerten und mit kreativen Setlisten bestueckt waren, kommt manchmal in mir Wehmut auf.

      1. Wenn man einen Kuenstler ueber so viele Jahre hinweg verfolgt and gesehen hat, ist es vermutlich nicht einfach gewisse Aenderungen zu verarbeiten. Wir wollen halt, dass unsere Rock & Roll Helden fuer immer jung bleiben! :-)

      2. Hm, ja und nein. Wir werden auch selbst aelter und gehen mit der Zeit. Was mich bei Bruce Springsteen in 2023 am meisten irritiert hat, ist sein straffes Programm, dass er durchzogen hat. Bei den vergangenen Tourneen nahm er Ruecksicht auf die damals aktuellen Ereignisse und sang das eine oder andere Lied von Musikern, die kuerzlich verstorben waren oder er ging auf das Land, wo er spielte, ein. Das war bei der aktuellen Tournee nichts zu merken. Das hat mir schon etwas wehgetan, aber Springsteen wird seine Gruende haben.

        Machen wir einfach das Beste daraus und geniessen die Musik, egal, aus welchem Jahrzehnt sie stammt, denn Musik ist zeitlos und das ist das Schoene daran :-)

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