September 2021. Ich war wieder in Erfurt und entnahm aus den lokalen Nachrichten, dass Clueso am 27. August 2022 ein Konzert auf dem Erfurter Domplatz spielen wird. Nach dem Weihnachtskonzert am 28.12.2019 wollte ich Clueso schon gern wieder live erleben und der Rahmen musste auch passen. So nach dem Motto „111 Dinge, die ein(e) Erfurter(in) gemacht haben muss“ bestellte ich mir unverzüglich eine Karte für das Konzert.
Obwohl rechtzeitig gekauft, fand ich kaum Muße, mir sein neuestes Werk, schlicht betitelt „Album“, anzuhören und doch da war ein Lied, das mich am Schluss zu Tränen rührte:
„[…] War immer weg, bin immer abgehau’n
Nach dem Motto: Jedem Tag sein Traum
Wirkliche Nähe war nicht so meins
Alles zu seiner Zeit
Kommt alles zu seiner Zeit“
Respekt, Thomas Hübner! Nicht jede(r) Sänger(in), den/die ich gerne höre, hat zumindest ein Lied, das mich innerlich so sehr bewegt, so dass dieses emotionale Beben mich zu Tränen rührt. Clueso hat es auch nun geschafft. Dennoch werde ich nie zum Oberfan und ich sehe „Album“ nicht unbedingt als ein herausragendes Werk an. „Stadtrandlichter“ bleibt einfach unerreicht.
Nun rückte der große Tag immer näher, ohne dass wir uns vorher Sorgen machten, ob nicht doch ein Gewitter oder Starkregen uns den Abend vermiesen würde.
Aber nicht mit dem gegenwärtig berühmtesten Sohn der Stadt Erfurt!
Einen Tag vor dem Konzert erhielt ich ein E-Mail vom Kartenverkäufer mit den üblichen Sicherheitsinformationen und konnte mich auch mit einem Lageplan schlau machen. In der E-Mail wurden als „Support“ Martin Hübner ft. Antonio Lucaciu angekündigt. (Ersterer ein Bruder von Clueso, letzterer spielt Saxophon bei Clueso.) Als „Opening Act & Special Guest“ wurde eine gewisse LOTTE genannt. So kann man auch die generell ungeliebten Vorgruppen anders verlautbaren.
Keine Lust, mich dort zu früh in den Menschenmassen einzufinden, kam ich erst gegen 18 Uhr am Domplatz an. Ich kann mich an keinen schöneren Spaziergang zu einem Konzert erinnern. Wer flaniert schon über die Krämerbrücke durch die Marktstraße zur Bühne?
Ich ließ den „Support“ an mir vorbeirauschen, die Musik sprach mich nicht an und ich hatte mit den ständig vorbeilaufenden Menschen zu kämpfen. Ein Bier war nötig – beschämenderweise gab es nur Beck’s. Nach der experimentellen Musik betrat Lotte mit ihrer Band die Bühne und angesichts der nicht wenigen kleinen Besuchern auf dem abgeriegelten Domplatz fragte ich mich, wie sie mit den intensiven Vibrationen, die aus den Basslautsprechern wummerten, zurechtkamen. Sie waren wirklich heftig, obwohl ich die Musik als angenehm empfand. Zum Schluss sang Lotte ein Lied aus Cluesos Feder, „Gewinner“, das beim Publikum begeisterten Anklang fand.
Bald war es soweit. Die Menschenmenge verdichtete sich, es herrschte nach wie vor ein reges Kommen und Gehen. Zu einer netten Vierergruppe in meiner unmittelbaren Nähe meinte ich, dass ich mir locker eine Karte für das Weihnachtskonzert (Sie findet am 28.12.2022 in der Erfurter Messehalle statt.) kaufen könnte, würde ich von jedem Vorbeigehenden einen Euro verlangen. Das Quartett stimmte mir lachend zu und einer fragte mich anschließend: „Österreich?“ (*seufz* In Erfurt bin ich die Ösi, in Wien dagegen bin ich die Piefkinesin.) Ich lieferte ihm die Kurzversion meiner Biographie und wir konnten den Auftritt von Clueso kaum erwarten.
Nach 20 Uhr betraten die Band und, endlich, Thomas Hübner die Bühne und legten mit „Achterbahn“ los. Auch wenn ich mich ziemlich weit hinten befand, wusste ich, dass Clueso bei seinem Heimspiel das Publikum im Griff hatte und begeisterte nun mit „Heimatstadt“. Zwischendurch sparte der Sänger auch nicht mit kurzen Anmoderationen, kurz deshalb, weil ihm einfach die Worte fehlten, vor lauter überwältigender Dankbarkeit, wieder am Erfurter Domplatz vor einem großen Publikum auftreten zu dürfen. (Das erste Konzert am Domplatz fand am 1. September 2017 statt.) Weiter ging es mit „Neuanfang“ und „Keinen Zentimeter“, die mittlerweile bewährte Nummern sind. Aus dem „Album“ erklangen „37 Grad im Paradies“ und „Flugmodus“, die überwiegende Partystimmung herrschte bei „Love The People“ weiter. Sehr schön fand ich den Gastauftritt von Elif, die mit Clueso „Mond“ besang. Das Lied hörte ich mir schon auf dem bekannten Kanal an, konnte mich aber nicht so ansprechen, daher freute es mich umso mehr, dass es live gut herüberkam.
In Gedenken an seinen verstorbenen Großvater gab es sehr viele schwarzweiß Fotos auf der großen Leinwand während „Anlauf nehmen“ zu sehen. Infolgedessen wurde „Zu schnell vorbei“ gespielt und zur Auflockerung „Sag mir was du willst“. Immer wieder blickte ich zum verschiedenfarbig beleuchteten Mariendom und empfand Dankbarkeit, dabei sein zu dürfen. Das letzte (und auch erste) Großereignis am Erfurter Domplatz, das ich beiwohnte, war die Silvesterfeier am 31. Dezember 1999.
Mathea als nächster Gast beehrte Clueso mit „Der letzte Song“ und bevor Thomas Hübner DAS Lied anstimmte, sprach er voll Dankbarkeit über Udo L. und es erklang eine wunderschöne Liveversion von „Cello“. Von „Tanzen“ kamen wir zu „Chicago“, das auch bei einem Clueso-Konzert nicht fehlen darf.
Zwar bekamen wir das Lied schon bei Lotte zu hören, Clueso sang es auf seine Art und Weise: „Gewinner“. Und der Hauptteil war vorbei. Die Zeit verging wie im Flug(modus), ich empfand das Konzert als kein bisschen langweilig, natürlich trugen die Musik, die Videos, die Beleuchtungen sowohl auf der Bühne als auch auf den Dom ihren Teil dazu bei. Die Atmosphäre war einzigartig.
Als erste Zugabe erklang „Wenn du liebst“, das dieses Mal im Duett mit Lotte besungen wurde. (Daher das „Special Guest“ in der Ankündigung.) Es wurde recht kuschelig und bevor Thomas zum nächsten Lied kam, wurde im Intro die Band vorgestellt. Die Besetzung hat sich seit dem Weihnachtskonzert 2019 nicht verändert. Endlich konnten wir uns „Freidrehen“ und ich hatte sogar Platz, meine Arme etwas in die Luft schwingen zu lassen.
Zum Abschluss kam das Lied, worauf ich das ganze Konzert sehnsüchtigst gewartet hatte: „Alles zu seiner Zeit“. Im Publikum wogte sich ein Lichtermeer aus den mobilen Telefonen, vereinzelt erblickte ich Feuerzeuge.
Ich verdrückte wieder ein paar Tränen.
Weiterführend:
https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/mitte-thueringen/erfurt/clueso-konzert-domplatz-104.html
das besagte Lied kannte ich nicht, Clueso ist nicht so mein Ding, aber das Lied gefällt und kann durchaus zu Tränen rühren…
Beim zweiten und weiterem Anhören auf CD war ich schon vorbereitet, aber live hat es mich dann wieder sehr berührt.
Ich kenne Clueso überhaupt nicht. Du machst da eine Welt auf, die an mir vorbeigegangen ist. Zu alt? Zu taub? Ich weiss es nicht, aber es ist wunderbar, dass es Dich zu Tränen gerührt hat.
Liebe Frau Frogg, danke für die Lebenszeichen hier und auch in Deinem Blog. Ich glaube wenig, dass es sowohl mit dem Alter als auch mit dem Gehör zu tun hat, Clueso zu kennen. Er ist in Erfurt eine Grösse, die halt mit jedem Kilometer Luftlinie kleiner wird.
Das Konzert ist zwar eine Woche alt, aber ich habe immer noch ein paar Ohrwürmer von diesem unvergesslichen Abend.