Schon von klein auf gehören Museumsbesuche für mich zu den besonderen Momenten im Leben. An meinen ersten Besuch erinnere ich mich nicht mehr, aber an die letzten denke ich gern zurück. Mein liebstes Museum ist das Karikaturmuseum Krems, das ich sogar vier Mal aufsuchte.
Meistens gestalten sich meine Museumsbesuche individuell. Ich schließe mich nicht gern Gruppenführungen an. Da sind mindestens 13 Menschen dabei, ich dränge mich nicht gern nach vorn und weil ich es in einem Museum nicht wirklich als ruhig empfinde, schon gar nicht, wenn 13 Leute mitlaufen, mache ich erst recht kaum bei Führungen mit.
Anders mein Besuch in der Salzburger Stiegl-Brauerei, von dem ich nur positive Erinnerungen habe. Da musste ich zwar mit einer kleinen Gruppe eine Führung machen, sonst hätte ich nie erfahren, wie mein in Österreich liebstes Bier gebraut wird. Ich löste das Problem, indem ich den Führer ansprach und ihm meine Situation schilderte. Er reagierte sehr entgegenkommend und ich durfte ihm das Mini-Mikrofon aushändigen. Es wäre ein Jammer gewesen, wenn ich die nächsten 90 Minuten ohne diesen technischen Helferlein verbracht hätte.
Lange Rede, kurzer Sinn: Museum ja, Führung nein.
Auch auf die Gefahr hin, dass ich viele interessante Geschichten versäumen würde. Aber das ist das Schicksal der Hörbeeinträchtigten.
Falls Sie es noch nicht wissen, ich wohne in Wien. Und die österreichische Hauptstadt geizt nicht unbedingt mit ihren Museen. Ich machte sogar drei Mal die „Lange Nacht der Museen“ mit. Eine feine Sache, aber vergessen Sie bitte, aus diesem Anlass das Albertina, das Naturhistorische und das Kunsthistorische Museum aufzusuchen. Weil, sehr überlaufen.
Im Kunsthistorischen Museum (KHM) war ich einmal. Ich besuchte mit einer Freundin die Ausstellung zu Francisco de Goya. Das geschah auch nicht rein zufällig. Im Rahmen des Kunstunterrichts an der Schule erfuhr ich, dass Goya an einer nicht näher definierbaren Krankheit litt, von dem er sich erholte – bis auf sein Gehör. Er blieb bis an sein Lebensende taub. So nutzte ich einen Tag im Jänner des Jahres 2006 die Gelegenheit für einen Besuch im KHM, um mir einen umfassenden Einblick von seinem Werk zu verschaffen.
Über das Wiener Schwerhörigenzentrum erfuhr ich, dass das KHM jeden zweiten Freitag im Monat barrierefreie Führungen für Hörbeeinträchtigte anbietet. Ein:e Gebärdensprachdolmetscher:in und mobile Hörschleifen würden zur Verfügung stehen.
Thematisch unterschiedliche Schwerpunkte für eine Stunde werden im KHM vorgestellt. An diesem Freitag im Mai lautete das Thema „Voyage, voyage – auf Weltreise im Museum“. Warum die französischen Wörter? Zum Zeitpunkt der Gründung des KHM war die Weltstadt Wien recht französisch angehaucht. Noch heute bleiben uns die Trottoire, Allongen und Pouvoirs erhalten.
Nun sah ich dem Freitagnachmittag mit Spannung entgegen. Meine größte Sorge war natürlich, ob die mobile Hörschleife funktionieren würde. Die Hörschleife wird wie ein normaler Kopfhörer mit Stecker an die Buchse eines sogenanntes Audioguides angeschlossen. Ich hängte mir das induktive Teil um und steckte das Gerät wahlweise in die Brusttasche meiner Bluse oder in den Gürtel meiner Jeans.
Und bevor die Führung beginnen konnte, bestand ich darauf, die mobile Hörschleife zu testen. Ich verstand die sehr nette Mitarbeiterin, die die Führung machte, nur bei jedem zweiten Satz. Wir tauschten die Audioguides aus. Ich fand heraus, dass beim jeweiligen Heraus- und Hineinstecken des induktiven Kabels die Verbindung wieder hergestellt werden konnte. Das wird ein Spaß! Aber ich brauchte die Induktion. Ich fühlte mich schon von den Geräuschen im Foyer des KHM überfordert. Wir bildeten eine kleine Gruppe. Mit mir waren eine weitere Hörgeräteträgerin, die scheinbar nicht begeistert von der mobilen Hörschleife war und ein gehörloses Ehepaar, für das die Gebärdensprachdolmetscherin zur Verfügung stand.
Schon bald befanden wir uns in der Ägyptisch-Orientalischen Sammlung. (Wir machen ja eine Reise!) Von da an funktionierte die mobile Hörschleife brav. Ich vernahm kaum Aussetzer, die Nebengeräusche, weil die Führerin ein Headset trug, nahm ich zwar wahr, aber das kenne ich von meinem Mini-Mikrofon. Wir lernten einen kurzen geschichtlichen Abriss zum KHM kennen und kamen in den Genuss von ein paar Anekdoten zu Zeiten Kaiser Franz Josephs dem Ersten.
Weiter ging es zu einem Gemälde von einem mir bisher unbekannten Maler. („Der Hafen von Amsterdam“ von Ludolf Backhuysen.) Dort erfuhren wir Wissenswertes, dass Bilder damals nicht nur zum Vergnügen, sondern zu Dokumentations- und Forschungszwecken gemalt wurden. Backhuysen war auch kein freischaffender Künstler im eigentlichen Sinne, sondern Auftragsmaler.
Unsere Reise machte gerade zwei Stationen und schon blieb uns nur ein Viertel von der einstündigen Führung. Wir gelangten in einen weiteren Raum, wo sich sehr viele Menschen aufhielten, die sich einer anderen Führung angeschlossen hatten. Das ist eine der Gründe, warum ich nicht so gerne bei Museumsführungen mitmache. Der Geräuschpegel wäre unerträglich gewesen, aber mobile Induktionsschleife sei Dank konnte ich den kurzweiligen Ausführungen unserer Führerin folgen und ich ließ mich nicht von den Nebengeräuschen stören.
Wie geht das? Stellen Sie sich die Induktion wie einen Kopfhörer vor, der nur den Klang direkt ins Ohr überträgt und alle anderen Geräusche ringsherum dämpft. In meinem Fall brauche ich meine Hörsysteme nur auf Induktion (oder „T-Spule“) zu programmieren und wenn das Sendegerät funktioniert, dann ist das Leben so etwas wie lebenswert.
Bei der letzten Station unserer Reise machten wir vor mehreren Bildnissen der Margarita Theresia von Spanien, jeweils porträtiert von Diego Velasquez, halt. Dazu erzählt wurde die lange und in unseren Augen des 21. Jahrhunderts beschwerliche Reise von Spanien nach Wien.
Die Führung war so spannend und die eine Stunde verging buchstäblich wie im Flug, obwohl wir zu Fuß im sehenswerten Museum unterwegs waren.
Da das Angebot noch aufrechterhalten bleiben wird, kann ich es mir gut vorstellen, dass ich wieder eine besondere Führung mitmachen werde. Herzlichen Dank an das Kunsthistorische Museum für die Reiseleitung!
Anbei drei Fotos, die mir das Kunsthistorische Museum Wien netterweise für den Text zur Verfügung stellte:
Herzlichen Dank für diesen aufschlussreichen Beitrag! Eigentlich wollte im Januar noch an die grosse Goya-Ausstellung in der Fondation Beyeler in Basel, habe aber leider die Gelegenheit verpasst.
Schade!
Aber abgesehen von der Goya-Ausstellung hätte ich doch dem KHM wieder einen Besuch, abseits der barrierefreien Führung, abstatten können.
Meine Eltern haben Interesse bekundet und vielleicht klappt es bei ihrem nächsten Wien-Aufenthalt.
Das klingt auf jeden Fall nach einem sehr spannenden Museum. Wir nehmen sehr gern an Führungen teil. Aber für hörbeeinträchtigte Menschen kann das tatsächlich sehr anstrengend sein. Hier müsste noch mehr zur Inklusion getan werden.
So ist es. Und daher finde ich das Angebot des KHM begrüßenswert.