10.05.2020 – Ernst Molden, Balkonkonzert, Wien

Als in Österreich Mitte März 2020 die alte Normalität zu Grabe getragen wurde, nahm auch der von mir geschätzte Ernst Molden das „Sonntag-um-18-Uhr-Musizieren“ zum Anlass, zunächst seine unmittelbaren MitbewohnerInnen mit seiner Musik zu beglücken.

Aber Ernst Molden ist nicht Ernst Molden, der es nur bei der einmaligen Gelegenheit beließ. Mittlerweile gibt er jeden Sonntag und jeden Mittwoch um jeweils 18 Uhr auf dem Balkon seiner Erdberger Wohnung ein paar Lieder zum Besten.

Unter dem Motto „Nachrichten aus der Vereinzelung“ werden die Konzerte fleißig von seiner besten Frau aller Zeiten gefilmt und regelmäßig auf YouTube hochgeladen.

Solange es nicht erlaubt war, die öffentlichen Verkehrsmittel zu jedem Zweck benutzen zu dürfen, konnte ich mich zunächst nur an den Videoaufnahmen erfreuen. Als nach den Osterfeiertagen nun die Nutzung der Öffis wieder zu jedem Zweck erlaubt war, spielte ich mit dem Gedanken, in den dritten Hieb hinauszufahren. Doch machte ich die Erfahrung, dass ich mich nicht sehr wohlfühlte, mit MNS in den Öffis fahren zu müssen. So nutze ich diese Verkehrsmittel nur dann, wenn es nicht anders geht (Wald!) und auch nicht mehrmals am Tag. (In die Arbeit und retour gehe ich nach wie vor zu Fuß.)

Mit 1. Mai 2020 wurden die Ausgangsbeschränkungen aufgehoben und ich war mir nicht sicher, ob Ernst Molden weiterhin seine Balkonkonzerte, nun unterstützt von seinem Zweitgeborenen an der Bassgitarre, geben würde.

Nachdem ich das Video vom Balkonkonzert am 3. Mai 2020 entdeckte, stand mein Entschluss fest: Ich würde am 10. Mai 2020 nach Erdberg fahren. (Für die Nicht-Wien-KennerInnen: „Erdberg“ ist ein Bezirksteil von Wiens drittem Gemeindebezirk namens „Landstraße“.)

Um mir an diesem Tag eine minimale Dosis an öffentliche Verkehrsmittel zuzumuten, machte ich am Sonntagmorgen einen Spaziergang zum Schloss Wilhelminenberg.

Gegen 17 Uhr war es dann soweit.

War ich aufgeregt.

Aufgeregt, weil ich mich ein wenig vor dem Menschenauflauf, das auf den Videos gut zu sehen ist, fürchtete, aber ich dachte mir ein „Kumm hoid rechtzeidig, dann host an guadn Blods.“ (Oder im schlimmsten Fall: „Du kannst jederzeit gehen.“)

Und: Es ist nicht nur zwei Monate her, als ich mein letztes Konzert besucht habe, sondern auch dass ich das letzte Mal U-Bahn gefahren bin.

In Erdberg angekommen, war es noch überschaubar und ich suchte mir einen recht guten Platz aus, das dann fünf Minuten vor Konzertbeginn doch recht ungünstig war. Es kamen viele ZuschauerInnen, zum Glück hielten sie dann ihren Mund, als Ernst oben zum Spielen begann. Zwei Mal fuhr ein Polizeiauto auf der Landstraßer Haupt vorbei, aber mit der Beschallung der inoffiziellen Bundeshymne wurden wir zum Glück verschont.

Der Ort füllte sich recht gut. Manche Schaulustige kamen sogar extra mit dem Auto und stellten, beim EUROSPAR gegenüber, einen Stehtisch auf und machten das rund 20minütige Konzert zu einem besonderen Erlebnis, indem sie ein paar Getränke auf der Tischplatte deponierten.

Leider bestritt Ernst das folgende Konzert wieder allein, obwohl ich den Zweitgeborenen sehr oft aus dem Fenster der familiären Wohnung beobachten bzw. fotografieren sah.

Nach dem obligatorischen Intro zu „O du lieber Augustin“ erklang „Deifö Deifö Deifö“, was mir sehr recht war, da ich zu der Nummer recht gut mitschwingen konnte. Und weil die Stimmung so gut war, Ernst mir nach sechzehn weiteren Balkonkonzerten immer noch spielfreudig vorkam, beglückte er das Publikum, eine gute Mischung aus Jung und Alt, mit „De Haschisch Hendln“.

Die kurzen Anmoderationen von Ernst verstand ich kaum und mir wurde auch während des Konzerts bewusst, dass ich zwar eine gute Sicht auf die Bühne den Balkon hatte, aber mein gutes, rechtes Ohr auf der recht belebten Landstraßer Haupt richtete. Nichtdestotrotz gelang es mir, die Lieder zu erkennen und bevor Ernst das nächste Lied spielte, schnappte ich das Wort „Prater“ auf und ich wohne schon recht lange in Wien, um „Prater“ und „Mai“ kombinieren zu können. Es erklang auch das Lied, das ich erwartete: „De Blia“ und es gehört zu meinen liebsten Liedern von Ernst. Und so beseelt war ich, dass mich kein Straßenverkehrslärm stören konnte. (Sie können sogar in dem unten eingebetteten YouTube-Video beobachten, wie ich hin und weg von diesem Lied bin…) Zum Schluss erklang, anlässlich des Muttertages und der Liebsten gewidmet, Moldens weanerische Interpretation von Bob Dylans „You Belong To Me“, „Wohnan duasd bei mia“.

Es war ein wunderbares Erlebnis für mich und ich bin froh, dass ich mir ein Herz gefasst hatte und hingefahren bin. Zu einer sonntagabendlichen Freizeitbeschäftigung wird es nicht werden, war ich doch teilweise nervös wegen den umstehenden Leuten und jeweils 20 Minuten maskiert mit der U-Bahn fahren, ist wirklich kein Spaß.

Dennoch ein großes DANKESCHÖN an Ernst Molden, der so uneigennützig seine Musik mit uns teilt. (Und ich danke hier auch den anderen MusikerInnen aus aller Welt, die von zuhause ein paar Lieder spielen und die Ergüsse via YouTube mit den Fans teilen. Da besteht bei einigen meiner favorisierten Musikanten noch Nachholbedarf.)

So viel zur kurzen Unterbrechung meiner Blogpause. Nun ziehe ich mich wieder in meine „Vereinzelung“ zurück.

Nachtrag am 22. Mai 2020:
Charlie Bader nötigte ich auch mit diesem Bericht. Zum Glück las er ihn und wies mich darauf hin, dass der Zweitgeborene gar nicht da war. So musste es sich um den Erstgeborenen handeln, den ich hinter dem Fenster vermutete und aus der Ferne seinem jüngeren Bruder recht ähnlich aussieht.

Darüber hinaus hielt das Stadtfernsehen „W24“ genau dieses Konzert fest:
https://www.w24.at/Video/Ernst-Molden-live-vom-Balkon/18556

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5 Kommentare

  1. Ich hab‘ mich am Wochenende mal durch die mittlerweile 17 Balkonkonzert-Videos „durchgestöbert“ und gestaunt, welche „alten Bekannten“ ich da in neuem Weanarischn Gwand hören durfte … teils zum schmunzeln, teils Hochachtung einfordernd für die Kunst, ur-amerikanische Songs und Texte auf das Wiener Milieu umzusetzen … z.B. „Foan“, hinter dem ich nie und nimmer „Sailing“ vermutet hätte: Da wird aus einer sehnsuchtsvollen Ballade, ja fast Hymne, das Lied vom ziemlich beschwipsten Ehemann, der nach nächtlicher Zechtour zur Ehefrau heimkehrt (trotz der Achtln, trotz der Biern) … und dann wieder die Pete Seeger Adaption, wo aus dem US Eisenbahnarbeiter-Helden John Henry „Da Czerny“ wird und aus „Southern Accent“ von Tom Petty der „Schbruch ausn Südn“ – ach ja, und der „Blueberry Hill“ Wien’s ist der Laurenzerberg …
    Wobei Molden’s Eigenkompositionen dem in nichts nachstehen …

    Danke für die Anregung!
    Spike

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