Was ist ein musikalischer Adventkalender in Wien ohne Ernst Molden? Seit 2010 versuche ich, zumindest eine Veranstaltung in diesem Rahmen zu besuchen und die Konzerte mit Ernst Molden gehören zu den Obershäubchen. Die letzten Jahre bestritt er die Konzerte am dritten im Dritten, wodurch ich für 2016 mit einer Terminkollision konfrontiert sah. Hatte ich den dritten doch für [rema’su:ri] fixiert, freute ich mich umso mehr, dass Ernst heuer am sechzehnten im Sechzehnten spielen würde. Somit ergab sich für mich auch die Gelegenheit, dem Weinhaus Sittl meinen Erstbesuch (!) abzustatten.
Der kleine Saal füllte sich bis auf den letzen Platz und das beste Wiener Musik-Duo eröffnete den Abend mit „Rudolfstiftung“. Das nächste Lied widmete Ernst dem heurigen Nobelpreisträger für Literatur und spielte die weanerische Bearbeitung von „Red River Shore“. Von der „Lobau“ hat man es nicht weit bis zum Nationalpark Donau-Auen und dort wurden wir mit „Dausnd Göösn“ begrüßt. Ernst Molden klassifiziert den Nationalpark-Ranger als „einer der edelsten Menschen auf der Welt“ und kündigte an, dass im nächsten Lied „Schleppa“ nicht um die bösen Menschenschieber geht. Nach dem treibenden Publikumsliebling „Da Cerny“ brachte Ernst mich in Verlegenheit, als er mich den „größten Springsteen-Fan“ nannte, dennoch schlug meine Stimmung vom leichten Peinlich-Berührt-Sein in großer Freude um, als die beiden Herren den „Kätscha“ spielten. DANKE!
Ist es nicht Ironie genug, dass das folgende Lied den „Deutschen Liederpreis“ gewonnen hat? Das Lied ist durch und durch österreichisch. Wer noch nicht davon überzeugt ist, höre dann bitte in „Ho Rugg“.
Nach der Pause erzählte Ernst von der kritischen, zwei Stunden umfassenden Zeitspanne zwischen Soundcheck und Konzert, wo man auf die schlimmsten Gedanken wie Selbstmord kommen kann. Eine ähnliche Situation erlebte er damals in der Bunkerei Augarten, wo er auf den Koloniakübeln saß und der untergehenden Sonne über die Brigittenauer Skyline zusah. Mir wurde erst an diesem Abend bewusst, wie schön Walthers Knöpferlharmonika durch „Woed aus Rauchfeng“ gleitete. Die Akustik in diesem kleinen Saal war fein und ich habe den Ausführungen von Ernst großteils folgen können. Aus dem gleichen Album wurde das Titellied, welches Ernst als „negatives Liebeslied, dennoch schwungvoll“ bezeichnet, „ohne di“ gespielt.
Nach „Bad Language“ und der „Schwoazmarie“ wies wieder die Knöpferlharmonika den Weg in die „Schlachdhausgossn“. Das Erdberger „carpe diem“ durfte nicht fehlen, an „es lem“ kann ich mich nie satthören. Denn, „ollas kennd es ledsde moe sei…“
Mit Rainer Krispel, seinem musikalischen Mitstreiter zu Zeiten „The Red River Two“, wurde zu zwei bluesigen Nummern gejammt. Als allerletzte Nummer erklang das „Lied aus Döbling“, die „Hammerschmiedgossn“.
Ein sehr schöner Abend mit einer ausgewogenen Liedermischung – natürlich vermisst man das eine oder andere Lied, was man wieder gern hören möchte. Das Publikum war großteils aufmerksam, der Klang in diesem Saal war wirklich sehr gut und mein prägendstes Erlebnis ist dieses Mal die Knöpferlharmonika von Walther Soyka. Nicht, dass ich dieses wunderbare Instrument nie bei den vergangenen Konzerten gehört habe, aber an diesem Abend hörte ich sie viel mehr bestimmend, durchdringender, intensiver.
Danke für den detailliereten Bericht, liebe Sori – ich konnte ja leider (krankheitsbedingst) nicht dabei sein, aber so kann man nacherleben, was passiert ist.